Erich Zeisl

Wien, 1905 – 1959, Los Angeles

Erich Zeisl wurde in eine jüdische Familie von Amateurmusiker:innen im zweiten Wiener Gemeindebezirk geboren. Sein Vater betrieb das Café Tegetthoff nahe dem Nordbahnhof – dem Ankunftsort zahlreicher Besucher:innen und Migrant:innen aus den nördlichen und östlichen Provinzen der ehemaligen Monarchie. Seine ersten Lehrer an der Musikakademie (heute mdw) waren Richard Stöhr, der später bemerkte, Zeisl sei sein talentiertester Wiener Schüler gewesen. Später wechselte Zeisl zu Joseph Marx, fand jedoch seinen wahren Mentor in Hugo Kauder. Sein junges Alter verhinderte, dass er sich in Deutschland – nach 1918 der einzige realistische Markt für österreichische Komponist:innen – etablieren konnte. 1933, als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, war Zeisl gerade 28 Jahre alt. Dennoch festigte sich sein Ruf in Österreich, und kurz vor dem „Anschluss“ hatte er sich als Komponist bereits etabliert. Die geplante Uraufführung seiner Oper Leonce und Lena wurde jedoch durch den Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich zunichtegemacht. Das Exil führte Zeisl und seine Frau Gertrud, geborene Jellinek, zunächst nach Paris. Dort begann er – ähnlich wie Arnold Schönberg – sich intensiver mit seiner jüdischen Identität auseinanderzusetzen und diese in seine Musik einfließen zu lassen. In den USA angekommen, nachdem sie über Telefonbücher andere „Zeisls“ und „Zeisels“ kontaktiert und so Affidavits erhalten hatten, fand Zeisl rasch erste Erfolge in New York. Dies führte zu einer Einladung nach Hollywood, wo er Filmmusik komponieren sollte. Doch in Los Angeles wurde er schnell in Routinetätigkeiten für etablierte Studio-Komponist:innen eingebunden – er füllte Lücken, orchestrierte fremde Werke und verdingte sich als musikalischer Handwerker. Erst nach Kriegsende kehrte er Hollywood den Rücken und begann eine eigene musikalische Sprache zu entwickeln – eine Synthese aus Tradition und Moderne, geprägt von harmonischen und modalen jüdischen Elementen. Zeisls Tochter Barbara, die nach der Ankunft der Familie in New York geboren wurde, heiratete später den Sohn von Arnold Schönberg – eine Verbindung, die erst nach dem Tod beider Komponisten geschlossen wurde.